… der werfe den ersten Stein
Konflikte kennt jeder. Konflikte sind alltäglich. Konflikte sind nicht vermeidbar. Was aber ist das eigentlich, ein Konflikt?
Ist eine Meinungsverschiedenheit ein Konflikt? Haben wir also, wenn wir unterschiedliche Wertvorstellungen haben, etwa darüber, wie in unserer Organisation geführt werden soll, einen Wertekonflikt? Und einen Zielkonflikt, wenn wir unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wo wir mit unserer Organisation hin wollen? Oder einen Wegekonflikt, wenn wir uns zwar über das Ziel einig sind, nicht aber über die Strategie?
Ich meine nein, das sind Meinungsverschiedenheiten, keine Konflikte. Richtig ist, dass aus Meinungsverschiedenheiten Konflikte entstehen, und zwar immer dann, wenn die Beziehung Differenzen nicht aushält.
Ein Konflikt entsteht nicht zwangsläufig schon dann, wenn der Versuch sich auf eine gemeinsame Sichtweise darüber zu einigen, was erstrebenswert ist oder was wem zusteht etc. misslingt. Zu einem Konflikt kommt es erst, wenn emotionale Kratzer, Narben und Wunden entstehen.
Wenn wir uns nicht einig sind, wie etwas zu sehen oder zu bewerten ist, was unsoziales Verhalten ist etwa oder was ein erstrebenswertes Ziel ist, wie wir unsere knappen Ressourcen am sinnvollsten nutzen sollten usw., dann ist das nichts weiter, als ein Unterschied in Wahrnehmung und /oder Bewertung. Und: wir können trotzdem respektvoll, ja wohlwollend mit einander umgehen.
Kann ich aber dem anderen nicht mehr offen gegenüber treten, weil ich mich von ihm nicht gesehen, nicht ernst genommen, benutzt, hintergangen oder verraten fühle, dann haben wir mehr als eine unterschiedliche Sichtweise, mehr als eine Meinungsverschiedenheit. Jetzt können wir mit dem anderen nicht mehr nur über die Sache sprechen, ohne an der Wahrheit unserer Beziehung zu zweifeln, nein, jetzt zweifeln wir an der Echtheit unserer Beziehung und damit an der Aufrichtigkeit des anderen und an den Worten, die er sagt.
Wir beginnen zu glauben, dass der andere uns Böses will und die „Abwärtsspirale“ dreht sich, wir haben einen Konflikt.
Jetzt nach Ursache und Wirkung oder Schuld zu fragen, führt ins Leere. In sozialen Bezügen ist Kausalität zirkulär. Nur durch Interpunktion, wie Paul Watzlawick das nennt, kann Schuld zugewiesen werden. Interpunktion aber ist beliebig. Man könnte auch sagen:
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!
Im Konflikt hilft nur, 1. Anzuerkennen was ist! und 2. Nach der Devise: „Probleme lösen, nicht Schuldige suchen!“ nach vorne zu schauen und den Weg zu suchen, der aus dem Dilemma herausführt.
Dazu ist nicht immer professionelle Unterstützung erforderlich aber meist doch sehr hilfreich.
Quelle: Josef W. Seifert, Konfliktmoderation, Gabal Verlag
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© 2020, Josef W. Seifert, MODERATIO