Agil ist in

Agil ist in. Der Begriff wird in allen Lebensbereichen bemüht. Hat der Moderationszyklus als Metastrukturmodell ausgedient? Oder sitzen wir hier einer Worthülse auf?
 

Überträgt man den Begriff agil auf Moderation und postuliert ein Agiles Moderieren, so würde das bedeuten, dass es auch ein langsames, bürokratisches, nicht agiles oder rigides Moderieren geben müsste. Was aber sollte das sein? Da wird nur ein Schuh draus, wenn man Moderation in ein agiles Arbeitsumfeld, wie etwa das der agilen Software-Entwicklung stellt. So könnte man von Moderieren in agilen Organisationsformen als Pendant zu einem Moderieren in traditionellen Organisationsformen sprechen. Die Agilität des Moderators ist jedenfalls in jedem Organisationsdesign gefragt. Und gerade im agilen Kontext spielt Team-Kommunikation eine wichtige Rolle. Es gibt viele regelmäßige Meetings die helfen, schnelle, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Da ist es extrem wichtig, ein Meeting so zu moderieren, dass es strukturiert zum Ziel führt und durch die richtigen Fragestellungen und Gesprächstechniken den Beteiligten hilft, sich auf Augenhöhe zu begegnen.


Bettina Kerschbaumer-Schramek interviewte Josef W. Seifert im Moderatorenkongress.

10 ungewöhnliche Tipps zur Konfliktmoderation

– von Josef W. Seifert: 

Wer Konflikte klären soll, möchte oder muss, sollte sich die folgenden Grundsätze zu Herzen nehmen um sich und andere nicht zu ent-täuschen:

1. Dränge Dich nicht auf!

Für einen Berater oder Moderator macht es keinen Sinn, einen Konflikt lösen zu wollen, man könnte sagen: Wenn der Therapeut engagierter ist als der Klient wird das mit der Therapie nicht funktionieren. Die Verantwortung für einen Konflikt und dessen Lösung liegt bei den Konfliktparteien. Einzige Ausnahme ist die Führungssituation, hier ist der Manager, die Führungskraft, der Projektleiter verantwortlich dafür, dass ein Konflikt gelöst wird. Ein Vorgesetzter muss sich „aufdrängen“. Es gehört zu seinen zentralen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit möglich ist. Er kann ein Konfliktgespräch im Rahmen einer Dienstbesprechung anordnen. In wieweit die beteiligten Menschen sich dann öffnen und bereit sind an einer Konfliktlösung zu arbeiten, liegt allerdings immer in deren Hand. Konfliktdialog und Konfliktlösung kann man nicht erzwingen.

2. Kläre Deine Rolle!

Für eine Konfliktbearbeitung ist die erste Frage die, ob es darum geht zu mediieren oder zu moderieren. Im einen Fall ist der Konflikt benannt und soll/kann nicht gelöst werden es geht jetzt darum die Sachfragen zu bearbeiten, die für eine Trennung zu klären sind. Das Stichwort dafür heißt „Verhandeln“, meist nach dem Harvard-Konzept. Im Falle einer Konfliktmoderation ist noch völlig offen, was ist und was werden soll. Es geht darum, zu klären worin der Konflikt besteht und darum, ob eine Lösung möglich ist und wie diese aussehen könnte.

3. Strebe keine Lösung an!

Gehen Sie davon aus, dass Sie als ModeratorIn weder den Konflikt lösen können noch lösen müssen. Ein Konflikt kann nur von den Konfliktparteien gelöst werden. Sie können lediglich Hilfestellung dafür leisten. Eine Konfliktlösung ist ein Abfallprodukt einer guten Konfliktklärung. Das Ziel einer Konfliktmoderation ist daher die Klärung der Situation: Was ist eigentlich los bei uns, worin konkret besteht der Konflikt?

4. Konzentriere Dich nicht auf die Vergangenheit!

Meist ist die Idee für eine Konfliktklärung die, das Rad irgendwie zurückzudrehen, so dass es „so wird, wie es mal war“. Es wird aber nie mehr so sein, wie es einmal war; bekanntermaßen kann man nur einmal in denselben Fluss steigen, so ein chinesisches Sprichwort. Ziel einer Konfliktmoderation kann es daher immer nur sein, eine mögliche Zukunft zu entwerfen. Und: Häufig kann ein Konflikt nur durch Trennung beendet werden. Die Suche nach „den“ Ursachen oder „dem“ Schuldigen führt in eine „Was war erst, die Henne oder das Ei – Diskussion“. Gehen Sie davon aus, dass Ursachen in sozialen Systemen zirkulär sind und die Frage nach der Schuld sinnlos ist.

5. Sei nicht neutral!

Nur wenn Sie nicht als Partei wahrgenommen werden, können Sie die Akzeptanz beider Seiten bekommen und bewahren. Trotzdem ist es erforderlich Fürsprecher sowohl der einen als auch der anderen Seite zu sein, aber eben beider Seiten. Nur dadurch ist es möglich maximal hilfreich zu sein und dennoch unparteiisch zu bleiben. Helfen Sie den Menschen, sich gegenseitig besser zu verstehen und das auf Gegenseitigkeit.

6. Glaube nicht, was Du hörst!

Seien Sie sich stets dessen bewusst dass das, was Peter über Paul sagt, mehr über Peter sagt, als über Paul und niemals „die Wahrheit“ ist. Wenn jemand etwas über jemanden anderen sagt ist die Frage stets: „Wieso sagt er/sie das ausgerechnet jetzt, auf gerade diese Art und Weise und wieso zu mir? Was will der Sprecher damit erreichen?“ Behandeln Sie Aussagen immer als mögliche Sicht der Dinge, niemals aber als Tatsachen.

7. Suche die Lösung nicht in der Sache!

Man kann über einen Sachverhalt unterschiedlicher Meinung sein. Man kann über das Ziel streiten und über die Strategie, über Mittel und Wege und darüber, ob eine Investition sinnvoll ist oder nicht. Die Frage ist einzig und allein die, ob man es zulassen kann, unterschiedlicher Meinung zu sein. Sobald der Streit über die Sache die Beziehung in Frage stellt, ist ein Konflikt entstanden – nur dann! Anders ausgedrückt könnte man sagen: Wenn die Beziehung stimmt, ist (fast) alles möglich, wenn die Beziehung nicht stimmt, ist (fast) nichts möglich.

8. Bestehe nicht auf Vereinbarungen!

Wenn ein Konflikt sich löst, hat das meist damit zu tun, dass seelische Kratzer, Narben und Wunden verheilen. Häufig ist es nicht erforderlich und/oder möglich, Maßnahmen zu vereinbaren. Wenn (mehr) Verständnis für einander entsteht und der Wille für ein neues/anderes Miteinander bekundet wird, lässt sich das in aller Regel nicht oder nur unzureichend in Maßnahmen abbilden. Was sich schriftlich fixieren lässt, damit es nicht vergessen wird, sollte natürlich unbedingt als „Vereinbarung“ oder „Maßnahme“ notiert werden.

9. Inszeniere keinen positiven Abschluss!

Ein Konflikt ist ein Konflikt, ist ein Konflikt, ist ein Konflikt. Auch wenn es am Ende einer Konfliktmoderation nach einer Lösung aussieht, sind Worte wie „Ich freue mich, dass …“ oder „Ich hoffe, dass …“ wenig hilfreich. Ob das neue Verständnis füreinander, der Wille zu einem besseren Miteinander, die getroffene Vereinbarung hält, wird die Zukunft zeigen. Am Ende einer Konfliktklärung ist eine kurze Relfexion der gemeinsam verbrachten Zeit und ein ehrlicher Dank an die Beteiligten angemessen und ausreichend.

10. Verzichte auf Nachsorge!

Die Verantwortung für den Konflikt und dessen Lösung liegt allein bei den Konfliktparteien. Man kann als ModeratorIn im Nachhinein nichts reparieren. Auch Nachfragen befördern keine Besserung. Wenn die Konfliktparteien erneut Hilfe wünschen und Vertrauen zu Ihnen und Ihren Fähigkeiten entstanden ist, werden sie sich melden – garantiert.

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Zur Vertiefung: Josef W. Seifert, Konfliktmoderation, GABAL Verlag


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