Keine Antwort ist Antwort genug !?

– Gedankensplitter von Josef W. Seifert

Mit Sätzen wie: „Antworte gefälligst, wenn Du etwas gefragt wirst!“ werden wir, von klein auf, darauf konditioniert, auf Fragen zu antworten. Und darauf, auf Fragen Antworten zu erwarten. Wir glauben regelrecht ein Recht darauf zu haben, dass eine gestellte Frage auch beantwortet wird.

So kommt es, dass eine Frage nicht zu beantworten oder nicht beantwortet zu bekommen, eine starke Aussage ist. Eine Antwort, und sei sie noch so lapidar oder bestehe sie nur aus neuzeitlichen Hieroglyphen, Emoticons, steht für Höflichkeit, Wertschätzung, Begegnung. Keine Antwort hingegen erzeugt Irritation und suggeriert Gleichgültigkeit, Arroganz, Ablehnung. Das gilt für mündliche und schriftliche Kommunikation gleichermaßen.

Paul Watzlawick’s erstes Axiom gilt wohl auch hier: Man kann eine Frage gar nicht nicht beantworten. „Keine Antwort“ ist also auch eine Antwort. Ob es dann die ist, die man geben wollte? Wir haben nicht wirklich eine Wahl. Will man nicht riskieren, dass das Gegenüber irritiert oder verschnupft ist und/oder sich der (innere) Abstand zum Andern vergrößert, sollte man Fragen grundsätzlich beantworten.

Hat man grad so gar keine Zeit oder keinen Kopf für das angefragte Thema, hat keine Antwort parat oder einfach keine Lust auf einen Dialog… ist das nicht zwangsläufig ein Grund, nicht zu antworten. Ein kurzes: Danke für die Frage, ich hab grad… keinen Kopf dafür, weiß ich in der Sekunde nicht, frag mich bitte später nochmal… sollte reichen, um den Faden nicht reißen zu lassen.

Und auch hier gilt: Ausnahmen(!) bestätigen die Regel. Drängt sich jemand mit einer Frage unangemessen auf, gilt: Keine Antwort ist Antwort genug.

Sonderfall Moderation

Fragetechnik ist – neben Visualisierung – eine der zentralen Kommunikationstechniken in der Moderation. Von ‚Appreciative Inquiry‘ bis ‚Zirkulär Fragen‘, Moderieren lebt von Fragen die Antworten so dringend brauchen, wie die Pflanzen das CO2. Jedes Nichtbeantworten einer Frage irritiert, brüskiert, frustriert das Gegenüber, beschädigt die Beziehung zum andern und stellt die Basis für ein weiteres Miteinander in Frage. Dafür Sorge zu tragen, dass Fragesteller Antworten erhalten, ist neben der sachlich-fachlichen Dimension, aktive Beziehungspflege im sozialen System Moderation.

Eine Besonderheit in Moderation respektive Facilitation ist es, dass die moderierende Person, Fragen inhaltlicher Art nicht beantworten darf, da sie sonst ihre neutrale oder allparteiliche Stellung verlieren und Teil des sozialen Systems werden würde. Dennoch ist im Normalfall „keine Antwort“ definitiv keine Option. Man wird in der Moderatoren- oder Facilitator-Rolle nicht hinnehmen, dass eine gestellte Frage unbeantwortet bleibt.

Fragen aus der Gruppe an die Gruppe, werden moderiert, Fragen an die Moderatorin, den Moderator werden an die Gruppe weitergereicht. Eine Antwort gibt es allemal: Keine Antwort ist keine Antwort und definitiv nicht genug.

jws


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