Nicht Fisch, nicht Fleisch?

Oder beides?! “Hybride” Events verbinden LIVE und ONLINE.

Der Mindestabstand hält mein Business nach wie vor in in Atem. Viele Live-Tagungen werden nach wie vor verschoben – manche abgesagt. Andere sind online gegangen. Letztere zu moderieren ist zweifelsfrei eine bereichernde Erfahrung. Kurzum: mir war nicht fad in den letzten Wochen.

Aber muss es denn das eine ODER das andere sein? Können wir nicht die Qualität einer Live-Veranstaltung mit den Vorzügen einer Online-Veranstaltung verbinden? 

Die Frage hat mich beschäftigt. Und so hab ich sie auch meiner hoch geschätzten und sehr umtriebigen Freundin Cornelia Dankl gestellt. Kaum war mein Gedanke ausgesprochen, war es für sie auch schon fix: ihr nächstes Event wird “hybrid”.

Und so kam es: Gemeinsam mit Pride Biz Austria entstand am 22.6.2020 ein Info-Event zum Thema “Darf ich im Job sein, wer ich bin? Sexuelle Orientierungen und Geschlechtervielfalt am Arbeitsplatz”. (Hier geht es zur Aufzeichnung.)

Und hier der Steckbrief dieses Events:

  • Ein “hybrides Event” sendet aus einem Studio oder einer Event-Location oder einem Raum, der dazu gemacht wurde. Dazu braucht es: ausreichend Platz, eine sehr stabile Internetverbindung (über LAN) sowie genug Bewegungsfreiheit für Kamera, Licht und Tontechnik. Hier ein Eindruck, wie das bei uns ausgesehen hat:
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  • Das Publikum ist via Live-Stream mit dabei. Optional kann das Event zusätzlich auch aufgezeichnet werden. Das heißt: die angemeldeten Teilnehmer_innen erhalten im Vorfeld einen Link (z.B. auf youtube.com) – und dieser Link kann natürlich auch über Social Media kommuniziert werden. Bis zum Start wird eine Grafik samt Erklärungstext eingeblendet:
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  • Aufgenommen wird mit professioneller Video- und Tontechnik. Gesendet wird über einen Streamingdienst zum Beispiel über youtube.com
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  • Die Gesprächspartner_innen für die Interviews sind entweder vor Ort im Live-Setting oder werden über eine Online-Plattform (in unserem Fall über ZOOM) dazu geholt.
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  • Die Fragen des Publikums haben wir über slido.com hereingeholt. In diesem Fall gab es auch schon vor dem Event die Möglichkeit Fragen zu stellen – die wir dann im eigentlichen Event aufgegriffen haben.

Die Vorteile im Telegrammstil:

  • Egal wieviele Gäste sich anmelden: der Mindestabstand ist kein Thema. Und damit gibt es auch kein Limit bei der Teilnehmerzahl.
  • Die professionelle Video- und Tontechnik vor Ort verleiht dem Event “Newsroom”-Flair und wertet es deutlich auf.
  • Referent_innen können aus jedem Teil der Welt dazugeschaltet werden. Selbst Speaker, die sonst aus Zeitgründen absagen müssten, können sich für ihren Part schnell und einfach dazuschalten. Anreise und Hotelkosten entfallen.
  • Letzteres gilt auch für das Publikum. Der Zeitaufwand für die Teilnahme ist auch für die Gäste deutlich niedriger. Und damit können natürlich auch Interessenten aus entfernteren Orten teilnehmen.
  • Ja, es braucht einen guten Technik-Partner (wir haben mit dem genialen Team von wienweit.at zusammen gearbeitet). Die Kosten rechnen sich, da ein hybrides Event umgekehrt deutlich weniger Kosten an Catering, Raummiete, Hotel und Anreise braucht.

Sprich mich gerne an, wenn Du mehr darüber wissen möchtest. Ich freue mich auf einen Austausch dazu.

Bettina Kerschbaumer-Schramek ist Moderatorin, Moderationstrainerin und Auftrittscoach. Sie ist Partnerin von MODERATIO und begleitet seit 15 Jahren Kongresse, Podiumsdiskussionen, BarCamps & Co. Live und online.


© 2020 MODERATIO

Fotocredit: Martina Draper

Ist Konsens Nonsens?

Mehrheitsentscheide sind in Businessmoderation und Facilitation von je her tabu. Angestrebt wird grundsätzlich Konsens. Die Idee dahinter ist, dass damit die getroffenen Entscheidungen von allen mitgetragen werden können. Motto: Moderation ohne Konsens ist Nonsens!

Besteht bei einer zu fällenden Entscheidung Einigkeit, also Konsens, steht alles zum Besten. Besteht keine Einigkeit, sondern Dissens, benötigt man ein Entscheidungsverfahren.

Bei einer Gruppengröße von bis zu 12 Personen, wie sie für Meetings|Workshops üblich ist, ist es gut möglich, Argumente direkt auszutauschen. Daher ist, bevor man ein Entscheidungsverfahren vorschlägt, zu klären, wo es „hängt“. Worin konkret besteht der Dissens? Können fachliche Bedenken ausgeräumt werden? Können Ängste offen gelegt und geklärt werden? … oder kann|muss die Entscheidung modifiziert werden, damit Konsens möglich wird? Nur, wenn die Gruppe zur Überzeugung gelangt, dass eine Konsens-Entscheidung nicht gelingen wird, stellt sich die Frage nach einer geeigneten Entscheidungsmethode.

Ist Konsens nicht erreichbar und ein Mehrheitsentscheid soll vermieden werden, kommen die „Delegation“ und die „weiche Abstimmung“ in Frage.

Delegation

Bei Delegation entscheidet eine Person für die Gruppe. Das kann der Vorgesetzte sein aber auch ein Fachexperte. Denkbar ist, die Entscheidung an eine Bedingung zu knüpfen und dem|der „Delegierten“ das Vertrauen auszusprechen und ein Placet für die Entscheidung zu geben, also das Einverständnis zu bekunden, dass die Person die Entscheidung treffen darf. Ist der Sachverhalt – ganz konkret – im Maßnahmenplan festgehalten, ist die Entscheidung seitens der Gruppe (quasi) getroffen. Die Gruppe muss sich damit nicht weiter auseinandersetzen.

Ein Beispiel für eine „Entscheidungs-Delegations-Maßnahme“: „Der Kollege Meier entscheidet bis zum …, wie wir mit … verfahren werden, nachdem er den rechtlichen Rahmen dafür konkret abgeklärt hat. Er informiert uns dann im Rahmen von … über den Entscheid.“

Weiche Abstimmung

Eine „weiche Abstimmung“, wird – welche Methode man auch immer wählt – mehr oder weniger Gewinner und Verlierer produzieren. Eine weiche Abstimmung verhindert lediglich, dass lautes, extrovertiertes oder rücksichtsloses Verhalten die Oberhand gewinnt. Die Abstimmung ist immer die zweitbeste Wahl. Die gängigsten Methoden für eine Abstimmung ohne Mehrheitsentscheid sind die klassische Mehrpunktabfrage, der Paarvergleich und das Konsensieren:

  • Mehrpunktabfrage
    Bei der Mehrpunktabfrage beantworten die Gruppenmitglieder eine Frage durch Kleben mehrer Punkte. Da jede|r gezwungen ist neben der von ihm|ihr priorisierten Antwort auch mindestens eine Alternative zu wählen, ist die Fixierung auf nur eine Möglichkeit ausgehebelt.

  • Paarvergleich
    Im Paarvergleich wird jede denkbare Entscheidungsvariante mit jeder anderen, ebenfalls denkbaren Entscheidungsvariante verglichen. Die Entscheidung ergibt sich aus den gegebenen Einzelentscheidungen an denen jede|r beteiligt war. Niemand kann überstimmt werden. 

  • Konsensieren:
    Das aus dem Entscheidungsmodell der Soziokratie, dem Konsent hervorgegangene Entscheidungsverfahren, das sogenannte Konsensieren, fokussiert (in der ursprünglichen Form) auf den Widerstand gegen eine Entscheidung, also die Intensität der Ablehnung der einzelnen zur Entscheidung stehenden Varianten. Die Gruppenmitglieder vergeben nicht Zustimmungswerte, sondern Ablehnungswerte. Die Variante, die am wenigsten abgelehnt wird, erhält den Zuschlag.

    In der von MODERATIO vorgeschlagenen, modifizierten Form „Positives Konsensieren“ (vgl. hierzu Systemisches Konsensieren) liegt der Fokus auf dem positiven Aspekt.

Ein wesentlicher Aspekt bleibt in jeder weichen Abstimmung die Bearbeitung schwerwiegender Einwände. Es muss Raum für das Äußern von Bedenken, Befürchtungen, Ängsten und Hoffnungen sein. Nur so kann eine Entscheidung zur gemeinsam getroffenen und gemeinsam getragenen Entscheidung werden. Selbst dann, wenn als Näherungsverfahren eine weiche Abstimmung genutzt werden muss. Nur, wenn es gelingt die Menschen so gut es geht einzuladen und mitzunehmen, wird eine Entscheidung eine Entscheidung sein. Bleibt der|die Einzelne mit seinen Vorstellungen zurück, ist jede Entscheidung nur Makulatur. Für den Rahmen persönlicher Begegnungen, wie Meetings oder Workshops gilt daher: Ohne die Vision eines Konsens ist jede Entscheidung Nonsens.

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© 2020, Josef W. Seifert, MODERATIO