Keine Antwort ist Antwort genug !?

– Gedankensplitter von Josef W. Seifert

Mit Sätzen wie: „Antworte gefälligst, wenn Du etwas gefragt wirst!“ werden wir, von klein auf, darauf konditioniert, auf Fragen zu antworten. Und darauf, auf Fragen Antworten zu erwarten. Wir glauben regelrecht ein Recht darauf zu haben, dass eine gestellte Frage auch beantwortet wird.

So kommt es, dass eine Frage nicht zu beantworten oder nicht beantwortet zu bekommen, eine starke Aussage ist. Eine Antwort, und sei sie noch so lapidar oder bestehe sie nur aus neuzeitlichen Hieroglyphen, Emoticons, steht für Höflichkeit, Wertschätzung, Begegnung. Keine Antwort hingegen erzeugt Irritation und suggeriert Gleichgültigkeit, Arroganz, Ablehnung. Das gilt für mündliche und schriftliche Kommunikation gleichermaßen.

Paul Watzlawick’s erstes Axiom gilt wohl auch hier: Man kann eine Frage gar nicht nicht beantworten. „Keine Antwort“ ist also auch eine Antwort. Ob es dann die ist, die man geben wollte? Wir haben nicht wirklich eine Wahl. Will man nicht riskieren, dass das Gegenüber irritiert oder verschnupft ist und/oder sich der (innere) Abstand zum Andern vergrößert, sollte man Fragen grundsätzlich beantworten.

Hat man grad so gar keine Zeit oder keinen Kopf für das angefragte Thema, hat keine Antwort parat oder einfach keine Lust auf einen Dialog… ist das nicht zwangsläufig ein Grund, nicht zu antworten. Ein kurzes: Danke für die Frage, ich hab grad… keinen Kopf dafür, weiß ich in der Sekunde nicht, frag mich bitte später nochmal… sollte reichen, um den Faden nicht reißen zu lassen.

Und auch hier gilt: Ausnahmen(!) bestätigen die Regel. Drängt sich jemand mit einer Frage unangemessen auf, gilt: Keine Antwort ist Antwort genug.

Sonderfall Moderation

Fragetechnik ist – neben Visualisierung – eine der zentralen Kommunikationstechniken in der Moderation. Von ‚Appreciative Inquiry‘ bis ‚Zirkulär Fragen‘, Moderieren lebt von Fragen die Antworten so dringend brauchen, wie die Pflanzen das CO2. Jedes Nichtbeantworten einer Frage irritiert, brüskiert, frustriert das Gegenüber, beschädigt die Beziehung zum andern und stellt die Basis für ein weiteres Miteinander in Frage. Dafür Sorge zu tragen, dass Fragesteller Antworten erhalten, ist neben der sachlich-fachlichen Dimension, aktive Beziehungspflege im sozialen System Moderation.

Eine Besonderheit in Moderation respektive Facilitation ist es, dass die moderierende Person, Fragen inhaltlicher Art nicht beantworten darf, da sie sonst ihre neutrale oder allparteiliche Stellung verlieren und Teil des sozialen Systems werden würde. Dennoch ist im Normalfall „keine Antwort“ definitiv keine Option. Man wird in der Moderatoren- oder Facilitator-Rolle nicht hinnehmen, dass eine gestellte Frage unbeantwortet bleibt.

Fragen aus der Gruppe an die Gruppe, werden moderiert, Fragen an die Moderatorin, den Moderator werden an die Gruppe weitergereicht. Eine Antwort gibt es allemal: Keine Antwort ist keine Antwort und definitiv nicht genug.

jws


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Neues Führen

Ein Beitrag von Josef W. Seifert –

Kurze Vorbemerkung: Zugunsten einer flüssigen Schreib- und Lesbarkeit gendere ich nicht.

Immer wieder wird die Forderung laut, dass die Führungskraft „Moderator und Coach“ ihrer Mitarbeiter sein muss. Was ist damit gemeint?

Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie und die Globalisierung der Märkte führen zu ständig zunehmendem Wettbewerb. Dabei sind die Mitarbeiter zum zentralen Wettbewerbsfaktor geworden. Ihr Wissen, ihre Fähigkeit und ihr Engagement, sich rasch auf veränderte Umfeldbedingungen einzustellen, Probleme zügig zu lösen und Neuerungen zu finden, sind entscheidende Erfolgsfaktoren geworden. Sie unterscheiden das flexiblere und schnellere, das agile Unternehmen vom starreren, langsameren und entscheiden so wesentlich mit über den wirtschaftlichen Erfolg.

Dadurch entsteht eine – in ihrer Tragweite den meisten Führungskräften noch nicht bewusste – neue Führungssituation: Gefordert wird der Mitarbeiter als „Unternehmer im Unternehmen“. Die Führungskraft andererseits wird vom „Oberfachmann“ zum Gestalter von Führungssituationen, die den Mitarbeitern das geforderte neue Verhalten auf Augenhöhe ermöglicht und sie diesbezüglich gezielt fördert und unterstützt. Das Führen mit Zielen und die Moderation von Teams rücken in den Brennpunkt des Führungsgeschehens: Die Führungskraft wird zum Moderator und Coach ihrer Mitarbeiter. Was aber bedeutet dies konkret und was daran ist neu im Unterschied zum „klassischen“ Führen?

Klassisches Führungsmodell

Nach klassischem Führungsverständnis brauchen Organisationen Führungskräfte, die die Einzelleistungen der Mitarbeiter fordern bzw. abstimmen, koordinieren und zusammenführen. Zum einen gilt es dabei, die Interessen des Unternehmens bezogen auf Qualität, Quantität und andere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, unter denen das Produkt bzw. die Dienstleistung erstellt/erbracht wird. Andererseits arbeiten Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, denen ebenso Rechnung getragen werden soll.

Beiden Dimensionen muss die Führungskraft gleichermaßen gerecht werden, wie dies auch z.B. im GRID-Modell von Blake/Mouton zum Ausdruck kommt. Dies bedeutet in der Aufgabenorientierung etwa, darauf zu achten, dass die Mitarbeiter die quantitativen und qualitativen Anforderungen des zu erstellenden Produktes/der Dienstleistung erfüllen. In der Mitarbeiterorientierung geht es z.B. darum, ein „stimmiges“ Arbeitsklima zu schaffen und zu „pflegen“.

Abb. 1 – GRID-Modell

Partizipatives Führungsmodell

Lutz von Rosenstiel erweiterte diese Vorstellung, indem er eine dritte Dimension einführt, die Partizipation. Er fordert, dem Mitarbeiter möglichst viel Handlungs- und Entscheidungsspielraum einzuräumen als Voraussetzung für mehr Mitsprache und Mitverantwortung. Will man den geforderten „Unternehmer im Unternehmen“ realisieren, so scheint Rosenstiels Forderung der Dreh- und Angelpunkt hierfür zu sein.

Folgt man diesem Gedanken, so stellt sich die Frage, warum dieser Forderung bislang so wenig entsprochen wird bzw. was zu
tun ist, damit die Umsetzung gelingt. Liegt es vielleicht daran, dass die Vorgesetzten keine Freiräume schaffen oder eher daran, dass Mitarbeiter gegebene Freiräume nicht nutzen oder an beidem?

Führungssituation heute

Der Vorgesetzte

Ein Großteil der heutigen Führungskräfte wurde aufgrund ihrer herausragenden fachlichen Qualifikation in die Führungsfunktion übernommen. Dadurch sind sie auch in der neuen Funktion weiterhin der erste Ansprechpartner bei fachlichen Fragestellungen und leiten aus diesem „Gefragtsein“ auch ihren sozialen Status im Unternehmen ab. Das Schaffen von Freiräumen birgt deshalb die Gefahr, dass die Mitarbeiter diese so nutzen, dass die eigene Expertenposition geschwächt oder gar in Frage gestellt wird. Der Vorgesetzte verliert möglicherweise an Einfluss, Ansehen und „Wert“. Dies führt (unbewusst!) dazu, dass fachliche Aufgaben den eigentlichen Führungsaufgaben vorgezogen werden. Das Entwickeln von Visionen und Strategien, das Wahrnehmen koordinierender Aufgaben, das Coachen des Einzelnen sowie das Moderieren des Teams kommen zu kurz. Gelingt es dem Vorgesetzten dennoch „loszulassen“, kann er nicht in jedem Fall davon ausgehen, dass die Mitarbeiter willens und fähig sind, diesen Freiraum (sinnvoll) zu nutzen.

Die Mitarbeiter

Die Forderung – vor allem jüngerer Mitarbeiter – nach Handlungsspielraum und Chancen, Leistung zeigen zu dürfen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den letzten Jahrzehnten andere Vorstellungen von Führung gelebt wurden: Zentrale Planung nach tayloristischen Grundprinzipien machten das Mitdenken der Mitarbeiter eher zur „Störgröße“. Passivität hinsichtlich eigener Ideen und Forderungen bedeutet daher für viele Mitarbeiter immer noch, sich „auf sicherem Boden“ zu bewegen. Initiativ zu werden hingegen heißt, Probleme aufzugreifen und Verantwortung zu tragen. Fehler zu vermeiden (und damit nicht angreifbar zu sein) hat einen höheren Stellenwert, als Chancen zu nutzen.

Die Lösung

Zur Lösung dieses „gordischen Knotens“ ist Moderation im Denken und Handeln gefordert.

 

Abb. 2 – Dimensionen der Führung

Führungssituation morgen: „Moderierendes Führen“

Moderation steht für Mäßigung. Im Führen bedeutet dies, Extreme zu vermeiden. Die Führungskraft kann weder der fachliche Experte bleiben noch sich fachlich völlig zurückziehen. Die Mitte ist gefragt!

Dies bedeutet für den Vorgesetzten, sich fachlich zurückzuhalten, ohne die Gesamtverantwortung aus der Hand zu geben. Gleichzeitig muss er dabei für einen maximalen Handlungsspielraum der Mitarbeiter sorgen. Das Motto kann nur lauten: „Erfolg durch exzellente Mitarbeiter!“ statt: „Erfolg durch fachlich überlegene Vorgesetzte!“.

Das setzt einerseits Vertrauen in die Fähigkeiten und Entwicklungspotentiale der Mitarbeiter voraus. Er muss sich dazu „trainieren“, die Kraft aufzubringen, sich bei operativen Entscheidungen herauszuhalten. Dies dürfte ihm besonders anfangs schwerfallen, wenn etwa die Entscheidungen scheinbar wenig durchdacht sind, nicht seinen „Qualitätsnormen“ entsprechen und/oder zu lange dauern.

Andererseits muss er seine Mitarbeiter aktiv fördern und unterstützen, damit auch diese in die neue Rollenverteilung hineinwachsen können. Sein Ziel muss es dabei sein, die Mitarbeiter zu befähigen und zu motivieren, die neuen „Freiheitsgrade“ aktiv zu nutzen. Die Führungsinstrumente dazu sind Moderation und Coaching, die ihrerseits getragen sind durch die Grundeinstellung zum „Führen auf Augenhöhe“.

Die Ziele sind dabei von den Organisationszielen abgeleitet und bilden den Orientierungsrahmen für die gemeinsame Arbeit und konkrete Zielvereinbarungen im Team. Die zentrale Technik zur Klärung und Vereinbarung von Zielen sowie zum „Ziel-Controlling“ ist die SixSteps Moderationsmethode.

Moderation des Teams

Moderation ist dabei immer dann das Führungsinstrument der Wahl, wenn „Freiheitsgrade“ existieren. Sind hingegen wesentliche Fakten bereits deutlich vorgegeben, sind Ziel, Weg und Ressourcen klar definiert, bedarf es keiner Diskussionen mehr. Wenn aber die Sachkenntnis der Mitarbeiter gefragt ist, wo sie als Experten für die Problemlösung und zu deren Umsetzung gebraucht werden, müssen sie aktiv einbezogen werden! Der Vorgesetzte hat dazu die Aufgabe, (möglichst) vorab die Handlungs- und Entscheidungsspielräume festzulegen, innerhalb derer die Gruppe frei agieren kann. Er sollte dazu prüfen, ob …

  • die Eckpfeiler/Ziele konform mit den Organisationszielen sind.
  • die Gruppe reif genug ist, die Freiheitsgrade zu nutzen, d.h., ob die Bereitschaft und Fähigkeit dazu vorhanden ist. Er selbst ist dabei in der Doppelrolle des neutralen Moderators und des ergebnisverantwortlichen Vorgesetzten.

Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, muss er vor der Moderation, während des Gespräches und nachbereitend tätig werden.

Vorher

Neben der üblichen organisatorischen Vorbereitung und der bereits erwähnten Zielklärung sollte er wissen, wie er die Gruppe – innerhalb des Moderationszyklus, also im Rahmen der SixSteps der Moderation, methodisch unterstützen möchte, so dass sie strukturiert arbeiten und sich jeder einzelne verantwortlich einbringen kann/wird.

In der Moderation

Je klarer der Vorgesetzte vorab den Rahmen abgesteckt hat, desto leichter wird es ihm in der Moderation fallen, sich (inhaltlich) zurückzuhalten. Ist es aus seiner Sicht dennoch erforderlich sich inhaltlich zu Wort zu melden, so sollte er unbedingt darauf achten, dass für die Gruppe die Notwendigkeit dazu erkennbar wird und, dass er hierzu seine neutrale Moderatorenrolle (vorübergehend) verlässt.

Dies kann er beispielsweise verbal tun, wie etwa: „An der Stelle muss ich Euch als Ergebnisverantwortlicher kurz eine aktuelle Information geben, damit …“

Ist es erforderlich, dass er zeitweise mitdiskutiert, kann er den Rollenwechsel verbal oder auch körpersprachlich deutlich machen.

Nachher

Im Rahmen seiner Moderatorenrolle ist der Vorgesetzte zuständig für das „Zielcontrolling“. Als Verantwortlicher für das Gesamtergebnis muss er darüber hinaus dafür sorgen, dass die Entwicklungspotentiale der Mitarbeiter genutzt werden, die sich zeigen, wenn die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden. Zur Aufgabe des Moderierens kommt die Aufgabe des Förderns, des Coachings hinzu.

Coaching

Coaching bedeutet, jemanden „betreuen, trainieren, entwickeln“. Dies ist neben der Moderation des Teams eine (Haupt-)Aufgabe der Führungskraft. Sie findet auf der individuellen Ebene statt. Ansatzpunkte für ein gezieltes Coaching ergeben sich für den Vorgesetzten einerseits aus Team-Moderationen, andererseits aus dem Erleben des Mitarbeiters im „normalen“ Arbeitsablauf. Es geht dabei darum, Maßnahmen zu vereinbaren, die geeignet erscheinen, erkannte Defizite auszugleichen und (soweit für die Organisation nützlich) Talente berücksichtigen, dass Mitarbeiter und Teams als soziale Systeme nur bedingt steuerbar sind. Es kann daher allein darum gehen, die Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Erfolg geschickt zu gestalten, zu moderieren.
Auch wenn dieses „neue Führen“ anfangs aufwendiger erscheint, mit dem Aufgeben des bewährten Führungsverständnisses verbunden ist und Ängste verursachen mag, so lohnt es doch. Beobachtet man die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen, so liegt die Vermutung nahe, dass die zu bewältigenden, komplexen Herausforderungen allein durch motivierte, kreative und leistungsfähige Teams gemeistert werden können! Solche Teams aber können nur im Rahmen des skizzierten Führungsverständnisses entstehen und sich kontinuierlich weiterentwickeln.

Selbstorganisation

Führen bedeutet heute zudem, Selbstorganisation zu ermöglichen und zu nutzen. Dazu muss eine „Organisation im organisierten Rahmen“ geschaffen werden, die maximale Freiheitsgrade und Selbstverantwortung für das Team bereitstellt. Ein wesentlicher Aspekt für das Gelingen selbstorganisierten Arbeitens ist dabei die Fähigkeit gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Auch dabei kann /sollte /muss die neue Führungskraft Moderator, Coach und Trainer sein.

Je weniger die Führungskraft leiten, lenken, korrigieren muss, desto besser macht sie ihren Job, desto besser gelingt Facilitative Leadership oder „Neues Führen“.


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Sind Meetings vertane Zeit

Sind Meetings vertane Zeit?

…fragt das Magazin „Spiegel“ am 20.06.2023 und berichtet aus einer Studie in der weltweit mehr als 18.000 Menschen befragt wurden: „Vor allem die Zeit in Meetings und Besprechungen nehmen einige der Befragten nicht als gut genutzte Arbeitszeit wahr. Im Schnitt gaben die Befragten aus Deutschland an, dass sie lediglich etwas mehr als die Hälfte ihrer Meetings (53,4 Prozent) als »gute Nutzung der Arbeitszeit« ansehen. 36,5 Prozent der Meetings wurden als unnötig eingestuft.“ Die häufigsten Gründe für diesen Eindruck dürften einerseits unnötige Meetings und andererseits ineffiziente Meetings sein. Die Antwort auf die Frage, ob Meetings vertane Zeit sind kann also nur lauten: Es kommt drauf an.

 

Nötige Meetings

Die Frage, ob ein Meeting erforderlich ist oder nicht, hat einerseits eine sachlogische Komponente und andererseits eine soziale. Ein Meeting kann aus beiden Aspekten heraus sinnvoll oder wünschenswert sein, hilfreich oder erforderlich aber eben auch das Gegenteil: unnötig und kontraproduktiv.

Im sozialen Kontext kann ein Meeting Kontakt herstellen, Zusammenhalt fördern, Teamgeist festigen, Spannungen lösen, Konflikte klären.

Im sachlogischen Kontext kann ein Meeting über Sachverhalte informieren, Sachfragen klären, Problemstellungen strukturieren, Lösungen (er)finden, Pläne schmieden, Maßnahmen vereinbaren.

Damit ein Meeting nicht zu „vertaner Zeit“ wird, sollte man sich also vorab die Frage stellen, wozu konkret das angedachte Meeting dienen soll: Was konkret soll damit erreicht werden, was nicht auch einfacher, zeit- und Ressourcen schonender erreicht werden kann?

 

Effiziente Meetings

Soll ein Meeting stattfinden, weil es das Mittel der Wahl zur Erreichung einer klar skizzierte Zielsetzung ist, stellt sich die Frage nach dem Konkret Wie? 

Hierzu sind Frage zu klären, wie etwa:

  • Was sind Anlass und Zielsetzung des Meetings?
  • Wer ist für das Meeting unverzichtbar, wer muss dabei sein?
  • Welches Setting ist geeignet oder erforderlich: Besprechung, Workshop, Großgruppe?
  • Ist ein Präsenz-Meeting oder ein Online-Meeting oder die Mischform des Hybrid-Meetings die effizienteste Form die Zielsetzung zu erreichen?
  • Wie sind die konkreten Ziele der einzelnen Steps im Moderationsprozess?
  • Welche Prozess-Fragen müssen vorbereitet werden?
  • Welche Visual Guides werden benötigt?

Möglicherweise müssen auch die Räumlichkeiten vorbereitet und/oder die benötigte Technik vorab getestet werden.

Wohl wissend, dass man das Unplanbare plant, sollte ein Meeting grundsätzlich methodisch sehr sauber vorbereitet werden. Je klarer die Zielsetzung formuliert ist, je verständlicher die Prozessplanung und die Leitung durch eine Moderatorin, einen Facilitator sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Meeting den intendierten Nutzen stiftet.

 

Nachhaltige Meetings

Meetings sind kulturgeprägt und kulturprägend und insofern immer auch nachhaltig. Ein Meeting kann nicht nicht auf die Organisationskultur wirken. Wir können nicht verhindern, dass – über die jeweiligen Inhalte hinaus – die Art und Weise des Miteinanders, das Gesprächsklima, die emotionalen Erfahrungen, eine gewisse Wirkung in die Organisation hinein entfalten. Jedes Meeting bestätigt die ‚geronnene‘ Art und Weise der Gruppenkommunikation oder wirkt in Richtung Kulturveränderung, Kulturentwicklung. Ein Meeting ohne Wirkung gibt es nicht. Wir können nicht wählen, ob es wirkt, wir können nur wählen, wie es wirkt oder wie es wirken soll.

Deshalb ist es für jedes Unternehmen, jede Organisation, jedes Team, jede Führungskraft ganz zentral zu fragen, was ihre Meetings be-fördern. Fördern sie Misstrauen und Missgunst, Rechtfertigungsdruck und Einzelkämpfertum, Einsamkeit und Frust? Oder fördern sie Vertrauen, ermöglichen sie Offenheit und Authentizität? Fördern sie Initiative, Fairness, Wohlwollen, gegenseitige Unterstützung?

Klingt das zu pathetisch? Vorsicht! Jedes Meeting, ob Präsenz, Online oder Hybrid, ob kurz oder lang, ist ein Mosaikstein in einer nachhaltigen Kulturentwicklung!

Wem das zu pathetisch klingt, der möge mir diesen Vergleich erlauben: Was bewirkt einmalig drei Minuten Zähne putzen? Was bewirkt täglich drei Minuten Zähne putzen? Und: Wenn nur eine Familie im Dorf die Zähne putzt ist das für diese Familie lohnenswert, für eine gesundes Dorf ist es aber nicht ausreichend… 

In diesem Sinne: Viel Elan und viel Erfolg für die Gestaltung von Meetings, die nicht als vertane Zeit erlebt werden, sondern als sehr, sehr gut investierte Zeit. Jede Mühe lohnt!

Ihr /Euer /Dein
Josef W. Seifert

* * *

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Selbstorganisation & Entscheidung

Unter dem Label New Work erleben wir einen Trend zur hierarchiearmen Organisation. Die alte Forderung nach dem Mitarbeiter als Unternehmer im Unternehmen gewinnt immer mehr an Fahrt. Partizipation steht hoch im Kurs. Führung wird immer mehr zur Moderation.

Moderation, englisch Facilitation, zeichnet sich dadurch aus, dass die moderierende Person, durch ein geeignetes Kommunikations- und Methodenangebot, einer Gruppe hilft, eine gestellt Aufgabe zu meistern. Sowohl die Fachexpertise als auch die Entscheidungsgewalt liegen bei den Gruppenmitgliedern. Moderator*innen sind Prozessberater, nicht Vorgesetzte.

Um diese neue (Führungs)Rolle einnehmen zu können, müssen Führungskräfte und Projektverantwortliche, Selbstorganisation organisieren oder anders ausgedrückt, selbstständiges Handeln in einem definierten Rahmen ermöglichen. Dies bedeutet einerseits, Aufgaben- und Zuständigkeiten an Mitarbeiter als „kollektive Führungsarbeit“, zu delegieren. Delegation meint dabei grundsätzlich die Übertragung einer Aufgabe oder eines Aufgabenbereiches und der Verantwortung dafür sowie die Übertragung der erforderlichen Kompetenzen (Rechte). Andererseits müssen sie es fertig bringen, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen, sie müssen den Mitarbeitern vertrauen. Zudem müssen unbedingt, Stichwort Fehlerkultur, Fehler erlaubt sein.

Die Voraussetzung für Selbstorganisation ist dabei einerseits die eben erwähnte Bereitschaft und Fähigkeit der Führungskraft, Kontrolle und Verantwortung sowie Entscheidungsrechte loszulassen, sowie andererseits die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeiter eigenverantwortlich zu arbeiten. Ein wesentlicher Aspekt für das Gelingen selbstorganisierten Arbeitens ist dabei die Fähigkeit gemeinsam Entscheidungen zu treffen.

Wie treffen selbstorganisierte Teams Entscheidungen?

  1. Konsens: Das Team entscheidet per Konsens. Man ist sich einig, wie die anstehende Entscheidung zu treffen ist.
  2. Kontent: Das Team entscheidet per Kontent: Es reicht, wenn es keine Einwände (mehr) gegen eine bestimmte Entscheidung gibt (vgl. „Systemisches Konsensieren“).
  3. Delegation: Die Frage um die es gerade geht, darf die Person entscheiden, die dem Team dafür besonders gut geeignet erscheint. Das ist zum Beispiel jemand, der sich im entsprechenden Thema besonders gut auskennt. ODER: Die Sache um die es gerade geht, darf die Person entscheiden, die eine /die entsprechende Rolle innehat, also beispielsweise für einen bestimmten Themenkomplex zuständig ist.
  4. Mehrheitsentscheid: Denkbar ist auch ein demokratischer Prozess, bei dem die Mehrheit darüber entscheidet, wie zu verfahren ist.

Die Fähigkeit zu Teamentscheidungen im Speziellen und Selbstorganisation im Allgemeinen bedarf der sorgfältigen Vorbereitung und Begleitung.

Sowohl die Führungskraft als auch das Team sollten Gelegenheit erhalten die neue Form des Miteinanders – step by step – zu erlernen. Dazu gehört der Austausch über das erforderliche Mindset ebenso, wie das (Er-)Finden des organisationalen Rahmens, das Vereinbaren von Rollen und Regeln und das Erlernen und Einüben von geeigneten Entscheidungs- und Feedback-Techniken.

Der Weg hin zu funktionierender Selbstorganisation wird im Idealfall als Organisations- und Kulturwandel-Projekt betrachtet, organisiert und begleitet. Die Organisation der Selbstorganisation ist kein Ereignis, sondern ein (manchmal steiniger) Weg, den zu gehen sich aber am Ende für alle lohnt.

Ihr /Euer /Dein
josef w. seifert

 

 

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Konfliktmoderation und die Sache mit der Angst

Es ist eine Stärke, den anderen so annehmen zu können wie er ist, auch wenn einem dieser mehr oder weniger komisch, seltsam oder befremdlich vorkommt. Den meisten Menschen fällt dies schwer, insbesondere, wenn es Spannungen gibt … 

Um Menschen in ihrer ganz persönlichen Art die Welt zu sehen, zu empfinden und zu gestalten, verstehen zu können, ist die Typologie des Münchner Psychologen Fritz Riemann sehr hilfreich. Dies besonders deshalb, weil sie mit nur vier Dimensionen auskommt und so ein alltagstaugliches Beobachtungsraster bereitstellt. Riemann nimmt als Kondensationskern für seine Persönlichkeitstypologie den Umgang mit der Angst, den jeder Mensch lernen muss.

Angst ist ein Gefühl, das der Mensch zum Überleben braucht. Er muss Gefahren als solche erkennen und durch (Flucht oder Verteidigung) darauf regieren können. Fritz Riemann teilt die Angst – die vom Menschsein nicht zu trennen ist – in vier „Grundformen der Angst“ ein. Dabei stehen sich immer zwei Grundformen gegenüber und bilden je ein Kontinuum, zu den Dimensionen „Raum“ und „Zeit“:

Dimension Raum

Aus dem Wunsch nach Nähe und Geborgenheit entsteht die Angst davor, von seiner sozialen Umwelt getrennt und sozial isoliert zu werden. Aus dem Wunsch selbst bestimmt und unabhängig zu sein entsteht die Angst, seine Freiheit einzubüßen und von den anderen vereinnahmt zu werden. Diese Ängste, zwischen Nähe und Distanz, bilden die Dimension „Raum“ ab.

Dimension Zeit

Aus der Neugierde und dem Wunsch nach Entdeckungen und Neuem entsteht die Angst vor Stillstand und Endgültigkeit. Dem Wunsch nach Sicherheit und Verlässlichkeit steht die Angst vor Unberechenbarkeit und Chaos gegenüber. Diese Ängste, zwischen Dauer und Wandel, bilden die Dimension „Zeit“ ab.

 

 

Abb.1: Die Dimensionen „Raum“ und „Zeit“

 

Menschentypen

Wir können davon ausgehen, dass jeder Mensch jede dieser Angstformen aus eigenem Erleben kennt. Jeder Mensch wird dabei – je nach seinem individuellen Gewordensein – die eine oder andere Grundform stärker kennen als die anderen Formen. Dies wird sein Leben, seinen Charakter, ganz zentral (mit)bestimmen. Dadurch, kann man (in Anlehnung an das „Riemann-Thomann-Modell“) auch von den vier Menschen“typen“, Nähe- und Distanz- sowie Wandel- und Dauertyp sprechen, wie dies Abbildung 1 symbolisch zeigt.

Dieses Typenquadrat® ist so wichtig, weil die Art wie jemand die Welt begreift, wie jemand empfindet und sein Leben organisiert, wie er/sie anderen begegnet, davon geprägt ist, wie jemand sich im Laufe seines Lebens in Raum und Zeit „verortet“ hat. Während für den einen Ordnung das halbe Leben ist, interessiert sich der andere mehr für die zweite Hälfte. Für diesen ist „kreatives Chaos“ wichtig … Das Verständnis für einander hält sich diesbezüglich möglicherweise in Grenzen und führt vielleicht auch zu wiederkehrenden Irritationen in der Zusammenarbeit, zu „Minitraumen“, die sich zu Spannungen aufbauen und einen fruchtbaren Boden für Konflikte ergeben. Im Konflikt hört man dann Aussagen, wie: „Wie kann man nur…!“, „Ich werde nie verstehen, wie man …“, „So ein Korinthenkacker.“, „Dieser Chaot!“, „“, „So ein arroganter Schnösel!“ usw. Im Konflikt werden die Konturen besonders scharf gezeichnet.

Was im Konflikt zunehmend verloren geht, ist das Verständnis für das Anderssein des anderen, das nicht besser und nicht schlechter ist, als die eigene Art. Konfliktparteien benutzen in ihrer eingeschränkten Wahrnehmungs- und Toleranzfähigkeit Extreme zur Verdeutlichung ihres eigenen Empfindens.

In der Konfliktmoderation gehört es zu den Aufgaben des Mediators, Verständnis für einander zu fördern. Dazu muss er die eine oder andere Aussage relativieren und/oder „übersetzten“. Möglich wird das dadurch, dass man jedem Wert, jeder Eigenschaft einen Gegenwert und einen Unwert zuordnen kann (vgl. Wertequadrat nach Hartmann).

DAUER versus WANDEL

Das Positive: Jemand ist exakt in seinen Angaben, genau in seinen Ausarbeitungen, im höchsten Maße korrekt und zuverlässig.

Übertreibt er diese Stärken, so kippt es und es kommt zum bekannten zuviel des Guten!



Alle Ding‘ sind Gift und nichts ohn‘ Gift; allein die Dosis macht,
dass ein Ding kein Gift ist.

Paracelsus



Für die Dauer-Strebung bedeutet das, dass Stärken, wie Genauigkeit, Ausdauer, Beständigkeit, Stabilität, Zuverlässigkeit bei Übertreibung zu destruktiver Zwanghaftigkeit, Sturheit und Prinzipienreiterei „entarten“.

Die Stärken des wandel-starken, wie Improvisationstalent, Begeisterungsfähigkeit, Kreativität und Erfindungsgeist verkommen zu Gewurstel, Schlamperei, Unordnung und Chaos.

NÄHE versus DISTANZ

Die menschliche Wärme des Nähe-Menschen, der kontaktfreudig und hilfsbereit ist, den Austausch sucht und gut zuhören kann, wird zu Aufdringlichkeit, Anbiedern und Tratscherei …

Der distanz-starke Kollege, bei dem man stets weiß, wie man dran ist, der nein sagt, wenn er nein meint, der sich durch Selbständigkeit, klaren Sachverstand und Entscheidungsstärke auszeichnet, wird zum Einzelgänger, Eigenbrötler und verschrobenen Sonderling, der kaum mehr zu erreichen ist, arrogant, sarkastisch und verletzend wirkt.

Im Konflikt werden die Konturen des Andersseins schärfer wahrgenommen und die Konfliktparteien sehen vor allem die „Unwerte“ der jeweiligen Orientierung des/der anderen besonders plastisch.

Die Moral von der Geschicht

Wenn die Konfliktparteien aus unterschiedlichen „Ecken des Quadrates“ argumentieren muss der Moderator „übersetzen“. Dazu ist es zunächst wichtig zu erkennen, welcher „Typ“ der einzelne ist, welche „Sprache der Gefühle“ er spricht. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn zwei Menschen Dialekt sprechen, der eine spricht breitestes Bayerisch und die andere sächselt was das Zeug hält. Im Konfliktdialog wird aus dem Bayerischen Amerikanisch und aus Sächsisch wird Mandarin. Jeder der beiden versteht die Sprache des anderen bestenfalls rudimentär. Wenn er sich sehr bemüht kann er mehr erahnen als verstehen, was der andere meint.

„Heimatgebiete“ und Argumente

In Abwandlung des bekannten Bibelwortes „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! (1. Johannes 2,1-6)“ gilt im Konfliktdialog: An ihren Worten werdet ihr sie erkennen!

NÄHE-Argumente:

Ich brauche …
… den Dialog mit andern.
… den Austausch mit andern.
… die Abstimmung mit andern.
… Teamarbeit.
… das Gefühl, nicht allein dazustehen mit meiner Meinung.

DISTANZ-Argumente:

Ich brauche …
… Zeit für mich ganz allein.
… eine gewisse Distanz.
… das Gefühl, dass ich eine eigene Meinung haben darf.

DAUER-Argumente: 

Ich brauche …
… Ordnung.
… das Gefühl, dass nicht alles, kaum ist es entschieden, sofort wieder umgeschmissen wird.
… verlässliche Zusagen.

WANDEL-Argumente:

Ich brauche …
… Bewegung
… Neues
… die Möglichkeit was auszuprobieren.
… das Gefühl, dass sich was bewegt.

Die Kunst besteht nun darin, das Gesagte z.B. mit Hilfe des „Doubelns“ (vgl. Seifert: Konfliktmoderation), in die Sprache des jeweils andern zu übersetzen: „Ich finde das blöd, wenn Du dauernd angeschissen kommst, um mit mir Banalitäten zu erörtern. Ich kann dieses Gequatsche nicht haben!“ klingt dann durch den Moderator übersetzt so: „Ich brauche Zeiten in denen ich ungestört arbeiten kann, sonst kriege ich keinen brauchbaren Arbeitsrhythmus für mich hin. Wenn Du unangemeldet kommst, fliege ich aus meinem Rhythmus.“

Wenn der Moderator in der Konfliktklärung oder in anderem Zusammenhang der Manager, die Führungskraft, der Projektleiter … es schafft, zu erkennen und anzuerkennen, dass andere in ihrem „inneren Typenquadrat“ anders verortet sind und dies nicht besser oder schlechter ist, als andere Wahrnehmungspräferenzen, sondern nur anders, dann gelingt es leichter erfolgreiche Gespräche zu führen und im Konfliktfall zu moderieren. 

Quelle: Josef W. Seifert – “Konfliktmoderation“ – Gabal Verlag, Offenbach


Inhalt der Ausbildung MODERATIO KonfliktModerator:in (MKM)

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Die Überheblichkeitsfalle

– Ein Beitrag von Josef W. Seifert

Das Streben nach Überlegenheit ist allgegenwärtig, Imponiergehabe wohin man schaut: Höher, weiter, schöner. Moderner, lauter, schriller. Ob Kleidung, Handy, Auto, Wohnung oder Urlaubsziel, es soll schon etwas Besonderes sein, es soll beeindrucken. Und wenn das Ganze dann noch als Schnäppchen daherkommt ist die Freude groß, das Ziel: Eindruck schinden.

… wenn uns das im eigenen Unternehmen, im eigenen Team begegnet, dann trägt das zerstörerische Züge von Ausgrenzung bis Zickenkrieg. Es scheint regelrecht ein Bedürfnis zu geben, das Abraham Maslow zu erwähnen vergessen hat, ein Bedürfnis nach „Ich-lass-die-anderen-alt-aussehen“. Und: Dieses Bestreben hat nach oben keine Grenze. Je weiter die anderen zurückbleiben, desto besser, je größer der Abstand, desto überlegener fühlt sich der, der „oben“ ist. Das gilt freilich für den einen mehr und für die anderen weniger doch jeder kennt dieses Gefühl.

Stellt sich die Frage, wozu das gut sein soll: Wieso eigentlich geben wir uns so viel Mühe andere zu beeindrucken? Wieso wollen wir „mehr wert sein“? Woher kommt das? Eine (individualpsychologische) Erklärung: Der Mensch kommt als absolut unschuldiges, lebensbejahendes, völlig schutzloses, auf Überleben programmiertes Wesen auf die Welt. Er braucht von Anfang an Nahrung und Pflege, Wärme und Zuwendung kurz: „die Andern“. Im Laufe des Heranwachsens erlebt der kleine Mensch, dass diese andern, in der Regel die Eltern, ganz im Gegensatz zu ihm selbst, scheinbar „alles können“, „alles wissen“ und „alles dürfen“. Er erlebt sich selbst zwangsläufig als klein und abhängig, wenig/er potent und wenig/er wert. Dieses Erleben des eigenen Unvermögens, der eigenen „Minderwertigkeit“ und der Abhängigkeit vom Wohlwollen der andern gräbt sich so tief in sein Gedächtnis und in seine Seele, dass es nie mehr völlig verblassen wird. Je nach persönlicher Situation und individueller Verarbeitung bleibt ein mehr oder weniger tiefes, unbewusstes Minderwertgefühl, eine Angst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, was in ein gesteigertes Bedürfnis dazuzugehören mündet. Dass es dieses Bedürfnis gibt ist spätestens seit der Erfindung von facebook & Co. bewiesen.

Paradoxerweise entsteht durch unsere Bemühungen uns interessant zu machen ein emotionaler Abstand zu den anderen, die sich klein gemacht fühlen und versuchen nachzuziehen. Wir erreichen Distanz, Neid und Missgunst und den ständigen Wettbewerb der Eitelkeiten. Das ist im Unternehmen, im Team, nicht anders als im privaten Leben. Wenn die Teamkultur so ist, dass es wichtig zu sein scheint, in welcher Hinsicht auch immer, besser dazustehen als die Kollegen, dann frisst das die Energie für Kreativität und Unterstützung, lähmt das Miteinander und hemmt die Performance des gesamten Teams.

Die Angst nicht zu genügen ist uns mit auf den Lebensweg gegeben und sie wird benutzt, auch in Unternehmen und Teams. Nur, wer glaubt durch das Schüren von Konkurrenz Spitzenleistung zu erzeugen, der befindet sich auf dem sprichwörtlichen Holzweg. Das Gegenteil ist der Fall: Mikropolitik, Abwertungen und Konflikte sind die Folge.

In Anlehnung an den Satz: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin…“, könnte man für Führungspersonen formulieren: „Stell Dir vor, jeder würde mit jedem zu jeder Zeit kompromisslos konstruktiv umgehen…“ Was wäre die Folge? Meine These ist, dass das Streben nach Überlegenheit dahinschmelzen würde, wie Eis in der Sonne. Die Energie die jetzt vom Wettbewerb verschlungen wird, wie die Lichtstrahlen von einem schwarzen Loch, würde sich darauf konzentrieren, worauf es ankommt, auf die Bewältigung der gestellten Aufgabe.

Weiterbildung ist der Schlüssel: Wenn es uns gelänge Führungskräften das Wissen um diese „Mechanik“ zu vermitteln und Ihnen konkrete Werkzeuge an die Hand zu geben, im eigenen Team eine Kultur der Augenhöhe zu realisieren, würden „Wertschätzungsinseln“ entstehen, die ihre Wirkung über das eigene Team hinaus entfalten würden. Die Wege sind bekannt. Führungstraining, Coaching, moderierte Teamworkshops, um nur einige zu nennen, können die Sprossen auf der Leiter zu einer angstfreien Teamkultur des Wohlwollens sein, in der das Streben nach Überlegenheit nicht die Regel ist, sondern ein Regelverstoß.

Ihr /Euer /Dein
Josef W. Seifert


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