Moderation & Beratung: Synonym oder Oxymoron
Moderation und Beratung werden synonym verwendet. Was aber hat Moderation mit Beratung zu tun?
Ausgehend von der These, dass ein Moderator zu dem jeweils zu bearbeitenden Thema „von Berufs wegen keine Meinung“ zu haben hat, kann man sich fragen, was Moderation mit Beratung zu tun hat. Das Typische an einem Berater ist doch gerade, dass er einem einen Rat gibt. Dies wiederum setzt voraus, dass er zum vorgetragenen Anliegen eine Meinung hat; im Idealfall sogar eine Expertenmeinung. Ist der Berater wirklich kompetent, so kennt er die Lösung für mein Problem und unterbreitet mir einen entsprechenden Lösungsvorschlag oder?
Was ist eigentlich Beratung?
Zunächst ist festzustellen, dass Beratung nicht eindeutig definiert ist und es keine klare Theorie von Beratung gibt. Beratung lässt sich aber in zwei große Bereiche einteilen: 1
- Expertenberatung
- Prozessberatung
Danach handelt es sich bei Expertenberatung um die Art von Beratung, bei der die Betroffenen ihr Problem an einen Berater (oder eine Beratergruppe) mit dem Auftrag übertragen, das Problem zu lösen oder zumindest ganz konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Das klassische Beispiel dafür ist die Expertise, das Gutachten eines Experten, etwa zur Echtheit eines Kunstwerkes. Auch die Beratung zur Anschaffung einer technischen Anlage und die Finanz- und Steuerberatung gehören hierzu.
Bei Prozessberatung hingegen geht es darum, dem Gegenüber zu helfen, sein Problem selbst zu lösen. Das Problem wechselt in diesem Fall den Besitzer nicht. Vielmehr geht es darum, den Prozess der Problemlösung zu gestalten. Gefragt ist nicht Fachkompetenz, sondern (vor allem) Methodenkompetenz. Zwei Beispiele für Prozessberatung:
- Das interne PE-Team eines Pharmaproduzenten will sich neu organisieren. Der Leiter der Abteilung möchte, dass die geeignete Organisationsform von den Teammitgliedern selbst erarbeitet wird, um eine möglichst hohe Akzeptanz und Effektivität der neuen Organisation zu erreichen.
- Im neuen Logistikzentrum eines Computer-Distributors sollen Schnittstellenprobleme besprochen und Maßnahmen zur Optimierung der Zusammenarbeit beschlossen werden. Der Leiter des Zentrums kann die Probleme nicht „am grünen Tisch“ lösen. Die Problembearbeitung ist nur durch Aussprache und Absprache zwischen den Betroffenen vor Ort möglich. Der Vorgesetzte kann (nur) den Rahmen dafür schaffen und Hilfestellung für die / bei der Themenbearbeitung geben.
Welche Beratungsart ist wann sinnvoll?
Experten- / Fachberatung ist immer dann sinnvoll, wenn erforderliches Fach-Know-how im eigenen Hause fehlt und die Möglichkeit, dass jemand aus den eigenen Reihen „sich schlaumacht“, aus zeitlichen und / oder personellen Gründen, nicht möglich ist. Ist das Know-how zur Problemlösung jedoch vorhanden
oder kann man dies nicht kaufen und eine Lösung muss aus eigener Kraft gefunden werden, so ist Prozessberatung erforderlich, zumindest aber hilfreich.
In der Praxis gibt es zweifelsohne einen Überschneidungsbereich, eine Art der Beratung, die man „prozessorientierte Expertenberatung“ nennen könnte. Bei dieser Art der Beratung gibt der Berater fachliche Informationen zum Thema oder zeigt Lösungsalternativen auf, ohne jedoch (s)eine Lösung zu priorisieren.
Und was hat das Ganze mit Moderation zu tun?
Bei Prozessberatung und prozessorientierter Fachberatung ist das Erarbeiten einer Problemlösung durch die / mit den Betroffenen der Kern der Beratungstätigkeit. Die Betroffenen zu Rate zu ziehen erfordert seinerseits ein hohes Maß an Moderations- und Beratungskompetenz:
- Moderationskompetenz zur Strukturierung der erforderlichen Gruppengespräche in Form von Projektgruppensitzungen, Workshops
- Beratungsprozesses von der Auftragsklärung bis zur Reflexion des abgeschlossenen Projekts.
Wir nennen diese umfassende Art des Moderierens BusinessModeration.
Wie läuft BusinessModeration konkret ab?
Obwohl bei Prozessberatung / BusinessModeration der Weg beim Gehen entsteht, kann man den Ablauf klar in Arbeitsschritte unterteilen:
Schritt 1: Information
Jede Beratung beginnt damit, dass der Berater um Unterstützung bei der Lösung einer Aufgabe gebeten wird. Dieser Erstkontakt wird in aller Regel per Telefon stattfinden. Von dem Moment an, wo der (potenzielle) Kunde sein Anliegen äußert, beginnt für den Berater die Informationssammlung.
Dabei kommt es zunächst darauf an zu klären, ob man überhaupt der richtige Partner für den Klienten ist / sein kann. Hierzu können Fragen dienen, wie: Was konkret ist das Thema / die Aufgabenstellung? Ist es mir möglich, mich in die Problemstellung hineinzudenken – verstehe ich, worum es geht? Braucht der Gesprächspartner Fach- oder Prozessberatung? … oder beides? Kann ich / will ich helfen? Ist in diesem Erstgespräch eine Vorklärung gelaufen und man hat den Eindruck, (grob) verstanden zu haben, worum es geht, wird ein erstes persönliches Gespräch vereinbart. In diesem Gespräch geht es dann darum, noch mehr (Detail-) Informationen zu erhalten / zu erarbeiten, um sich ein noch klareres Bild davon machen zu können, worum es ganz konkret geht und wie eine mögliche Themenbearbeitung aussehen könnte. Fragen zur weiteren Konkretisierung könnten sein: Wer möchte das Thema bearbeitet haben und warum gerade jetzt? Wer ist vom Thema betroffen und in welcher Weise? Wer muss in die Themenbearbeitung (unbedingt) einbezogen werden? Wer könnte
versuchen die Arbeit zu be-/verhindern und aus welchem Interesse?…
Das Gespräch beim Kunden könnte gleich (oder in einem zweiten Schritt) ein moderiertes Gruppeninterview mit allen Beteiligten sein! Diese Arbeitsphase ist zu Ende, wenn der Berater ausreichend Informationen hat, deren Interpretation es ihm ermöglicht, ein Konzept zur Themenbearbeitung zu erstellen.
Schritt 2: Interpretation
Hat man als Berater sein Bild davon, was der Kunde möchte und wie man das Thema angehen könnte, ist es notwendig, das Ganze mit Abstand zu betrachten. Im Idealfall ist man dazu nicht allein, sondern im (Zweier-)Team. Man wird sich / einander dann fragen:
Aus welchen offiziellen Gründen soll das Thema bearbeitet werden? Wer will damit / darüber hinaus was erreichen? Wer ist vom Thema betroffen und in welcher Weise? Für wen ändert die Themenbearbeitung (möglicherweise) etwas und was? Was bedeutet das für denjenigen und für die anderen? Wer steht wie zu wem?…
Ziel dieser Arbeitsphase ist es, zu einer möglichst realistischen Einschätzung dessen zu kommen, was (wirklich) angestrebt ist, um darauf aufbauend ein treffendes und „anschlussfähiges“ Konzept zu erarbeiten.
Schritt 3: Konzeption
Mögliche Fragen zur Erstellung eines (Grob-)Konzepts auf der vorhandenen Datenbasis könnten sein:
Was möchten die Beteiligten erreichen und was kann unter den gegebenen Umständen erreicht werden? Was ist dazu die geeignete Vorgehensweise?
Das konkrete Moderations-Design hängt von der jeweiligen Zielsetzung ab. Die Er- / Überarbeitung einer Vision oder (Teil-)Strategie wird anders ablaufen (müssen) als die Optimierung eines Fertigungs- oder Dienstleistungsprozesses oder eine Konfliktmoderation.
Schritt 4: Präsentation
Das erdachte Konzept muss danach mit dem Auftraggeber abgestimmt werden. Hierzu stellen sich für die Prozessberater / BusinessModeratoren Fragen wie:
Wie präsentieren wir das Konzept so, dass (möglichst) keine Widerstände dagegen entstehen? Wie erreichen wir eine möglichst hohe Akzeptanz und Identifikation mit dem geplanten Vorgehen?…
Sinn und Zweck dieses Arbeitsschrittes ist die Präsentation und Abstimmung des erarbeiteten Konzepts mit dem Auftraggeber. Es wird präsentiert, diskutiert und gegebenenfalls „an Ort und Stelle“ modifiziert. Hierzu sind Fragen zu klären wie:
Ist alles berücksichtigt worden, was dem Auftraggeber wichtig ist? Kann das so (wie angedacht) funktionieren? Soll / muss das Konzept noch jemandem präsentiert werden, um unnötige Widerstände zu vermeiden?…
Am Ende der Präsentation steht der verbindliche Kontrakt für die konkrete Vorgehensweise / Intervention / Moderation.
Schritt 5: Intervention
Die Phase Intervention ist die zentrale Phase der Beratung. Jetzt wird das Thema / Problem in Angriff genommen. Dies beinhaltet in aller Regel die Durchführung eines Workshops oder einer Workshopreihe mit allen zur Themenbearbeitung notwendigen Organisationsmitgliedern.
Möglicherweise ist auch eine Großgruppen-Konferenz sinnvoll / erforderlich. Darüber hinaus ist häufig Coaching der entsprechenden Gruppe und / oder des Auftraggebers hilfreich / notwendig. Was konkret getan wird, wurde bereits in den Schritten 3 und 4 entschieden.
Schritt 6: Reflexion
Nach Abschluss der Intervention, des Workshops, … findet ein Treffen zur Reflexion der geleisteten Arbeit statt. Es geht dabei um die Fragen:
Haben wir erreicht, was wir erreichen wollten / sollten? Ist der Auftraggeber mit Ablauf und Ergebnis zufrieden? Wie geht es weiter – ist weitere Beratung gewünscht / sinnvoll? …
Dabei geht es nicht darum, einen weiteren Auftrag „an Land zu ziehen!, sondern darum, einen sauberen Abschluss des Projekts zu gestalten. Für die Betroffenen und den Auftraggeber muss deutlich werden, was geleistet und erreicht wurde und was ggf. offen geblieben ist. Möchte der Kunde zur weiteren Bearbeitung dieses oder eines anderen Themas Unterstützung, so beginnt ein neuer Beratungszyklus, bei dem die genannten Schritte erneut durchlaufen werden. In der Regel kann der eine oder andere Schritt aufgrund der jetzt vorhandenen Vorkenntnisse flotter abgearbeitet werden.
… und wann ist BusinessModeration erforderlich / hilfreich?
BusinessModeration ist als professioneller Beratungsansatz zur Situationsklärung und Themenbearbeitung immer dann in Betracht zu ziehen, wenn neben der ersten auch mindestens eine weitere der folgenden Aussagen zutrifft:
- Es handelt sich um eine einmalige, zeitlich befristete Nichtroutine-Aufgabe.
- Die Themenstellung ist offensichtlich, es ist aber (noch) nicht ganz klar, was konkret zu tun ist.
- Die Bearbeitung des Themas / die Lösung des Problems kann oder soll nicht „einsam“ erfolgen, sondern der Einbezug
möglichst aller Betroffenen ist erforderlich / gewünscht. - Jeder der Beteiligten soll / muss sich uneingeschränkt auf die inhaltliche Diskussion konzentrieren können.
- Das zu bearbeitende Thema ist zu „heiß“ und / oder jeder der Beteiligten ist emotional stark involviert.
- Es bestehen bereits „Fronten“ und / oder die Bearbeitung des Themas ist „festgefahren“.
BusinessModeration ist ein mächtiges Werkzeug zur eigenverantwortlichen Visions-, Strategie- und Optimierungsarbeit, von der „Zukunftskonferenz“ über „KVP-Arbeit“ bis zur Konfliktklärung. Sie baut dabei auf die Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Kreativität der Mitarbeiter und Führungskräfte und nutzt so vorhandenes Know-how für maßgeschneiderte Lösungen.
1) Eine Kategorisierung, die von Ed. Schein (der in der Tradition von Lewin und Mc Gregor am Massachusetts Institute of Technology in den USA tätig war) schon Ende der 60er Jahre eingeführt wurde.
2) Die MODERATIOnsMETHODE© ist in der MODERATIO®-Notiz 1 skizziert. Eine ausführliche Darstellung der Moderationstechnik finden Sie in: Josef W. Seifert, Visualisieren – Präsentieren – Moderieren, GABAL Verlag Offenbach sowie ergänzend in: Josef W. Seifert, Moderation und Kommunikation, GABAL Verlag
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