System[at]ische Moderation

Josef W. Seifert

Gedankensplitter zum Selbstverständnis von Moderation / Facilitation

Die Fähigkeit zu zielführender Moderation wird auch für Führungskräfte und Projektleiter immer wichtiger. Mitarbeiter wollen mehr denn je „auf Augenhöhe“ kommunizieren. Wer versucht zu dominieren, verliert rasant und radikal an Akzeptanz und wer glaubt, via „Schwarmintelligenz“ alles der Selbstorganisation des Teams überlassen zu können, der sät Ratlosigkeit und erntet Chaos.

Gefragt ist Fingerspitzengefühl, Takt und die Konzentration auf Prozessberatung und Coaching. Wer führen will, muss moderieren können und das bedeutet „auf den Punkt kommen“. Die Führungskraft als Moderator muss jede Ansicht ernst nehmen, Widersprüche unerschrocken und konstruktiv aufdecken und den Kern herausarbeiten, auf den es gerade ankommt. Gefragt ist die Fähigkeit sich von seiner Meinung so weit zu „dissoziieren“, dass andere Meinungen als gleichwertig erlebt und behandelt werden können.

Gefragt ist auch die Fertigkeit dafür Sorge zu tragen, dass Gespräche strukturiert und sinnstiftend ablaufen, dass der Meinungs- und Willensbildungsprozess erkennbar, trichterförmig von der Sammlung von Themen, Gedanken, Meinungen … auf akzeptierte, verbindliche Beschlüsse zuläuft.

Die unverzichtbare Basis dafür sind einerseits die Distanzierung von mechanistischen Machbarkeitsvorstellungen sowie monokausalen Ursache-Wirkungs-Betrachtungen und andererseits eine solide Methodenbasis zur Planung und Moderation von Gesprächen. Gute Moderation könnte man als „system[at]isch“ bezeichnen, sie fußt auf systemischem Kommunikationsverständnis und systematischem Vorgehen.

Zentraler Bezugspunkt dieser system[at]ischen Moderation ist dabei die systemtheoretische Unterscheidung zwischen dem menschlichen, psychischen System (innerseelisches Erleben) und dem zwischenmenschlichen, sozialen System (Kommunikation). Beide Systeme haben eine Systemgrenze und sind „relevante Umwelt“ für einander. Jedes System ist „operativ geschlossen“ und entscheidet aufgrund seiner inneren Struktur und Eigendynamik, auf welche Ereignisse in seiner Umwelt es wie reagiert.

Moderatoren (engl. „Facilitator“) sind keine „Macher“, sondern Prozessberater, die gezielt Fragen und Nachfragen, (methodische) Angebote machen, Impulse setzen, zwischen Sichtweisen vermitteln und so die Kommunikation und Lösungsfindung beschleunigen, erleichtern oder erst ermöglichen. Sie machen sich das in/mit einer Gruppe zu bearbeitende Thema nicht zu eigen, das Problem wechselt den Besitzer nicht. Sie (beg)leiten den Arbeitsprozess methodisch und kommunikativ, ohne jede Dominanzbestrebung.

Gefragt ist methodische und kommunikative Versiertheit, basierend auf einer Haltung der Demut, wissend, dass die Lösung nur durch das System selbst entstehen kann, die Lösung liegt immer im System. Das System, also die beteiligten Menschen, werden die ihnen zum gegebenen Zeitpunkt bestmögliche Lösung (er)finden. Moderation kann diesen Findungsprozess nicht determinieren, aber prozessbegleitend, zielführend kanalisieren: Ziele definieren und Wege anbieten, Aufmerksamkeit fokussieren, Sichtweisen versöhnen, „Kommunikationsknoten“ lösen… Erreichtes sichern.

Moderation ist systemisch und systematisch. Moderieren ohne systemische Grundhaltung oder ohne Methoden-Know-how ist, wie Klatschen mit nur einer Hand.

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