Verwechslung von Genus und Sexus

Der Deutschlehrer Gerald Ehegartner beschreibt in einem Gastbeitrag in der NZZ, dass das Gendern auf der irrigen Annahme beruhe, Genus und Sexus hingen zusammen. Schuld sei dabei Protagoras, der im 5. Jahrhundert v. Chr. als griechischer Grammatiker die Kategorie „Genus“ in Umlauf gebracht habe. Er ordnete die Kategorie in „männlich“, „weiblich“ und „unbeseelt“ und setzte sie irrtümlicherweise in Bezug zum biologischen Geschlecht. Im 17. Jahrhundert sei der Begriff „Genus“ noch korrekt mit „grammatisches Geschlecht“ ins Deutsche übersetzt worden, im Barock hätte „Geschlecht“ zudem noch eine breitere Bedeutung gehabt und hätte für „Gattung“, „Kategorie“ oder „Art“ gestanden. Über Jahrhunderte davor und danach entwickelten sich die Sprachen, Lautverschiebungen kamen hinzu, Sprachen, die vorher komplett ohne ein Genus auskamen, spalteten sich ab und bildeten diese Kategorie aus. Mit der Entwicklung des Femininum kam eine theoretisch weibliche Form dazu, praktisch wurde sie laut Ehegartner aber anders genutzt: „Und dieses wurde nicht dazu verwendet, biologische Frauen zu benennen, sondern dazu, Abstrakta und Kollektiva sprachlich abzubilden. Die grammatischen Geschlechter sind also völlig unabhängig von den biologischen Geschlechtern entstanden.“

Erst sehr viel später begann die Sprachgemeinschaft, die feminine Form mit Weiblichem zu verbinden, dennoch werden verschiedene Begriffe auch heute noch mit einem Artikel versehen, der nichts mit ihrem tatsächlichen Hintergrund zu tun hat, z. B. „der Busen“ oder „die Männlichkeit“. Das generische Maskulinum, wie wir es heute kennen, sei dabei das „Standardgenus“ geblieben. Erst mit dem Suffix -in würde abstrahiert. „Die Genera an sich und die generische Form als solche interessierten sich von Beginn an nicht für biologische Geschlechter. Es wäre wohl eher folgerichtig, die drei Genera mit «Nominalklasse 1, 2 und 3» zu benennen, statt ihnen ein biologisches Mäntelchen umzuhängen.“

Fragmentierungen durch Genderstern, Binnen-I oder Doppelpunkt, wie es sie seit der feministischen Linguistik gibt, „mögen gut gemeint sein, sie übermarkieren, sexualisieren und verkomplizieren jedoch die Sprache stark. Sie machen es den Sprachnutzern unmöglich, unabhängig vom Geschlecht zu formulieren.“ Der ideologische Umbau der Sprache würde nirgendwo sonst so stark und systematisch vorangetrieben wie im deutschsprachigen Raum. Dabei sei Deutsch eine in der Mitte der Gesellschaft verwurzelte Sprache, „die sich trotz lang andauernder Geringschätzung als Weltkultur- und Wissenschaftssprache etablieren konnte“, so Ehegartner. Würde man den Begriff „generisches Maskulinum“ durch die korrekte Bezeichnung „geschlechtsneutrales Standardgenus“ ersetzen, würde die Sprache entsexualisiert. ( nzz.ch (Bezahlschranke))

Quelle: vds – 20. April 2025